BZ, Montag, 18. Juli 1983
WORB
Feinarbeit mit Pinsel und Spachtel
Archäologen arbeiten an Gräbern in der Worber Kirche
Ein ungewohntes Bild bietet im Moment der Innenraum der Worber Kirche. Die Mauern und der Boden sind herausgerissen, überall liegen Bauschutt und Bretter. Ein Team von sieben Archäologen ist damit beschäftigt, die überraschend entdeckten Gräber freizulegen.
lkr. Seit drei Monaten haben in der Worber Kirche die Pfarrer den Bauarbeitern Platz gemacht. Der Innenraum wird vollständig renoviert. Dabei sind viele überraschende und bedeutende Funde gemacht worden. Romanische Mauern, Fresken an der Westwand und viel mehr Grabplatten als erwartet sind zum Vorschein gekommen. Nach dem Abbruch der 1933 errichteten Vormauern entdeckten die Restauratoren Reste romanischer Mauern. Der Denkmalpfleger des Kantons, Herrmann von Fischer, schliesst daraus, dass bereits zwischen dem 10. und dem 12. Jahrhundert in Worb eine Kirche von ähnlicher Grosse bestanden hat. An der Westwand stiess man auf Fresken aus dem 15. Jahrhundert, die von Fischer als «wichtig und schön» bezeichnet werden: «Ich nehme an, dass damals praktisch alle Mauern mit Malereien überdeckt waren, die später zerstört wurden.»
Gräber im Kirchenschiff
Einzigartig ist die Tatsache, dass in der Worber Kirche der gesamte Chor mit Grabplatten belegt ist. Elf Gräber wurden dort entdeckt. Diese will man aber erst im Herbst öffnen. Die Archäologen hoffen, dass auch die Gebeine noch unter den Platten liegen. Vorerst beschäftigen sich die Archäologen mit dem Kirchenschiff, wo sie unter dem Betonboden, der bei der Renovation von 1933 eingebaut wurde, ebenfalls Gräber entdeckten. Die Leiterin der Ausgrabungen, Monique Rast, und ihre sechs Helfer haben den Boden aufgerissen und sind daran, die in den Gräbern vorgefundenen Skelette zu konservieren und zu analysieren.
Mit Pinsel und Spachtel
Ganz -vorsichtig, mit einem feinen Pinsel und einem Spachtel, legt die Berner Anthropologiestudentin Liesa Schäublin ein Skelett frei. Behutsam entfernt sie den Staub, die Umrisse eines Schädels werden sichtbar. Selbst Zähne und Haare sind noch erhalten, eine Seltenheit. Mit einem Staubsauger entfernt die Studentin immer mehr Erde. Die übrigen Gebeine kommen nach und nach zum Vorschein. An Hand des Knochenbaus kann man bei diesem Skelett feststellen. dass es sich um die Gebeine eines sehr jung verstorbenen Menschen gehandelt hat. «Das Alter des Skelettes ist jedoch auf Anhieb recht schwierig zu bestimmen», erklärt die Archäologin Monique Rast, Trotzdem versucht sie zu schätzen: «Die Gebeine dürften aus dem 14. oder 15. Jahrhundert stammen.»
Im Moment geben die Grabungen in der Worber Kirche noch kein einheitliches Bild. «Wenn wir im Herbst die Grabplatten im Chor heben, hoffen wir aber, das Puzzle zusammensetzen zu können», meint der Leiter des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern, Hans Grütter.
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