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Presseschau Worb/Rüfenacht und Umgebung

Diese Pressesschau ist unvollständig, unausgewogen und wird sporadisch ergänzt

Mix & Copyright: H.U. Steiner

Rüfenacht - «wo der Schuh drückt»

BZ, 4. Mai 2000

RÜFENACHT

«Gebt dem Dorf seine Seele zurück»

Nicht nur Steuern kassieren, sondern auch mal etwas investieren: Die Rüfenachter Bevölkerung sagte dem Worber Gemeinderat deutlich, was sie erwartet: Mehr Beachtung - und ein neues Dorfzentrum.

Michael Gerber

Wie ruchlose Machtmenschen sehen sie wahrlich nicht aus - die Mitglieder des Worber Gemeinderates. Die Hände gefaltet, die Beine übereinandergeschlagen und die Kugelschreiber sorgfältig neben die Spickzettel gelegt, sitzen die Gemeinderätin und ihre sechs Amtskollegen am Tisch und blicken gespannt ins Publikum. Doch was sie in den folgenden drei Stunden von den rund 150 im Kirchgemeindehaus anwesenden Rüfenachterinnen und Rüfenachtern zu hören bekommen, müsste dem Gremium zu denken geben.

«Wir sind keine Knechte»

«Rüfenacht ist jahrzehntelang ausgebeutet worden. Die Gemeinde hat für unser Dorf nur das gesetzlich Vorgeschriebene gemacht», redet sich Rosmarie Ueltschi ins Feuer. «Tut endlich etwas für uns: Nehmt die Zentrumsplanung in Angriff und gebt dem Dorf die Seele zurück.»

Rosmarie Ueltschi lebt seit 33 Jahren in Rüfenacht. Jahrelang hat sie sich in der Gemeinde politisch engagiert - unter anderem je zwei Amtsperioden im Gemeindeparlament und im Gemeinderat. Dabei habe sie anfänglich wiederholt zu hören bekommen: «Ihr Rüfenächtler kostet uns nur.» Von solchen Sprüchen habe sie damals ein schlechtes Gewissen bekommen - zu Unrecht, wie sich längst gezeigt habe: «Heute hat sich das Kräfteverhältnis verschoben. Worb braucht uns», ist Ueltschi überzeugt - und ruft die Anwesenden auf, gegenüber den Behörden selbstbewusster aufzutreten: «Wir sollten aufhören, uns als Knechte zu fühlen. Stattdessen sollten wir unsere Wünsche klar formulieren.» Bei diesem Frontalangriff auf die angereiste Politgilde wird die alt Gemeinderätin vom Publikum lautstark unterstützt - mit Applaus und «Bravo»-Rufen.

«Ein Stich Ins Herz»

Dass sich Rosmarie Ueltschi vier Jahre nach ihrem Abgang von der politischen Bühne so pointiert zu Wort meldet, hat seinen Grund: «Als ich in der <Worber Post> las, dass der Gemeinderat mit dem Erlös aus dem Verkauf des Sperlisackers wieder neues Bauland kaufen wolle, gab dies mir einen Stich ins Herz», erzählt sie der BZ. Das Vorgehen der Behörden sei nicht richtig. Denn genau auf diese Weise werde Rüfenacht seit Jahren ausgebeutet - statt aufgewertet. «Diese fünf Millionen Franken sollten unserem Dorf zugute kommen», fordert sie. Zum Beispiel in Form eines neuen Dorfzentrums «bim Chegeleboum».

«Wir können nicht zaubern»

Die Kritik seiner langjährigen Amtskollegin nimmt Peter Bernasconi nicht auf die leichte Schulter: «Wir hätten dort längst gerne eine Überbauung mit Läden realisiert. Doch wir können nicht zaubern.» Denn bisher habe weder Coop noch Migros Interesse bekundet, in Rüfenacht investieren, führte er aus. Ausserdem sei das Ganze blockiert, da nicht alle Grundeigentümer mitmachen wollen.

Und zum gespannten Verhältnis zwischen Worb und Rüfenacht sagt Bernasconi: «Wir Worber sind keine Könige - sowenig wie ihr unsere Untertanen seid. Wir sind alle Bürger der Gemeinde Worb.»

KOMMENTAR

Taten statt Worte

Michael Gerber

Der Worber Gemeinderat besucht Rüfenacht, um zu hören, was die Bevölkerung beschäftigt - und erhält prompt eine kalte Dusche: Die Gemeinde beute das Dorf seit Jahrzehnten aus und lasse die Infrastruktur vergammeln. Und statt mit dem Erlös aus einem Landhandel in Rüfenacht das Dorfzentrum aufzuwerten, kaufe er erneut Bauland und betreibe damit eine verfehlte Bodenpolitik.

So absolut vorgetragen, schiesst diese Kritik über ihr Ziel hinaus. Natürlich müsste das Zentrum von Rüfenacht dringend aufgewertet werden, wie die Kritiker fordern. Das ist augenfällig - und wird auch von den in Worb wohnenden Politikerinnen und Politikern nicht bestritten. Dass aber beim «Chegeleboum» nicht längst ein neues Dorfzentrum gebaut worden ist, darf nicht allein den Worberinnen und Worbern angelastet werden. Nicht zuletzt, weil die Zentrumsplanung von einer Rüfenachterin gebremst wird, die ihre Liegenschaft nicht hergeben will.

Dass einigen Rüfenachtern allmählich der Kragen platzt, ist aber nachvollziehbar: In den letzten Jahren hat die Gemeinde in Worb für viel Geld eine neue Verwaltung und einen Saal gebaut und dafür auch die Rüfenachter tüchtig zur Kasse gebeten. Gleichzeitig liess sie eine Liegenschaft mitten in Rüfenacht verfallen. Dort werde sich bald etwas ändern, beteuert der Gemeinderat. Bleibt nur zu hoffen, dass sich diese Aussage nicht als leeres (Wahl-)Versprechen erweisen wird.

Der Bund, 4. Mai 2000

RÜFENACHT

Worbs Weg vorbei an Rüfenacht

Wer nicht hin will, fährt dran vorbei. Links liegen gelassen fühlt sich Rüfenacht (rechts) auch von Worb.

Wer nicht ganz gezielt nach Rüfenacht will, lässt das Dorf an, der Strasse zwischen Gümligen und Worb liegen - links oder rechts, je nach Fahrtrichtung. Hin und wieder soll es vorkommen, dass Ortsunkundige selbst dann an Rüfenacht vorbeifahren, wenn sie eigentlich ganz gerne hin möchten weil sie die Abzweigung bei der «Sonne» verpassen. Rund 3500 Menschen leben heute im einstigen Bauerndorf, viele in Wohnblöcken aus den Sechziger- und den Siebzigerjahren. Weiter oben am Hang breiten sich Einfamilienhausquartiere aus. Auf dem Sperlisacker, an bevorzugter Lage, ist eine neue Überbauung mit 40 Wohneinheiten geplant. Zwischen 5 und 6 Millionen Franken soll der Verkauf des Lands Worb einbringen - Geld, das laut Gemeindepräsident Peter Bernasconi wieder in den Kauf von Land investiert werden soll. Zusammen mit sechs weiteren Gemeinderatsmitgliedern war Bernasconi am Dienstag nach Rüfenacht gereist, um über Aktuelles zu orientieren - und um sich anzuhören, wo die Bewohnerinnen und Bewohner der Aussengemeinde der Schuh drückt.

Zur Sprache kamen die Zustände an der Bernstrasse 31: In der nahezu abbruchreifen Liegenschaft quartiert die Gemeinde in einer Notwohnung Menschen ohne Obdach ein; deren Verhalten verursacht offenbar hin und wieder Ärger. Einige Fragen gabs zum Projekt Sonnenkreisel. Nach wie vor für Unmut sorgt, dass der Bahnübergang Vielbringenstrasse geschlossen wird und der Bau einer Fussgängerunterführung aus finanziellen Gründen nicht drinliegt. Geschildert erhielt der Gemeinderat die prekären Platzverhältnisse in Bibliothek und Ludothek. Die Gegner der geplanten Natelantenne im Hölzihüsi wollten von ihm wissen, weshalb er der kantonalen Baudirektion ihre Beschwerde gegen das Orange-Vorhaben zur Ablehnung, empfohlen habe. Werde diese Antenne gebaut, sagte ein Rüfenachter, «dann leben wir hier wirklich im Getto». Damit brachte er auf den Punkt, was schon andere mit spitzen Bemerkungen angetönt hatten: Rüfenacht fühlt sich von Worb schlecht behandelt. In einem Brief in der «Worber Post» drückte es die frühere FDP-Gemeinderätin Rosmarie Ueltschi krasser aus: Jahrzehntelang sei Rüfenacht ausgebeutet worden. Am Infoabend rief sie zu einem Kurswechsel auf: «Beenden wir unsere Knechttierexistenz. Werden wir selbstbewusster und formulieren wir unsere Wünsche». Erfüllt werden sollen diese, so Ueltschis Forderung, mit dem Erlös aus dem Sperlisacker-Verkauf.

1967, mitten im Bauboom, war Rosmarie Ueltschi nach Rüfenacht gezogen. Freiwillig, so erinnert sie sich, sei damals im Bereich der Infrastruktur nichts gekommen aus Worb, «alles mussten wir uns 'erränggele und erstämpfele'». Später seien Wünsche angesichts der finanziellen Probleme der Gemeinde freiwillig zurückgestellt worden. Ausser dem Naturweg habe Worb in Rüfenacht nichts gebaut, was über das gesetzlich Vorgeschriebene hinausgehe. Dringend benötigt würde laut Ueltschi etwa eine Kindertagesstätte: «Hier leben viele alleinerziehende Frauen, und die Ausländerkinder sollten wegen der Sprache raschmöglichst integriert werden.» Unterbringen liesse sich die Einrichtung in einem «einfachen Gebäude» im Zentrum Rüfenachts. Gleichzeitig könnte dieses der Bevölkerung als Treffpunkt dienen - auch dies ein altes Anliegen. Es gehe nicht darum, alte Animositäten zwischen Worb und Rüfenacht aufzuwärmen, betont Ueltschi: «Das Spiel soll einfach nicht gleich weitergehen.»

Ungewollt links liegen lassen werden Rüfenacht zumindest Auswärtige inskünftig nicht mehr: Im neuen Sonnenkreisel wird die Ausfahrt kaum mehr zu verpassen sein. Und sein Verhältnis zu Worb, so versicherte Bernasconi, sei «unverkrampft»: Sein Leben in Worb habe ja in Rüfenacht begonnen.

BARBARA STEINER